Immobilienblasen

Auch auf dem Immobilienmarkt bestimmen Angebot und Nachfrage die Preise. Wenn in einer bestimmten Region die Nachfrage nach Wohnraum steigt, aber nur ein begrenztes Angebot vorhanden ist, befinden wir uns in einem sogenannten Verkäufermarkt: Die Anbieter diktieren die Konditionen. Solange es Nachfrager gibt, die den geforderten Preis zahlen können und auch wollen, steigen die Preise weiter.

Diese Entwicklung an sich ist noch kein Indiz für die vielfach diskutierte "Immobilienblase". Eine Blase bildet sich erst dann, wenn die Immobilien signifikant überbewertet sind, der Preis also in keinem Verhältnis zum realen Gegenwert steht und bei einem späteren Wiederverkauf erhebliche Verluste zu befürchten sind. Der reale Gegenwert einer Immobilie spiegelt sich dabei auch im Mietniveau wider: Wenn die Kaufpreise erheblich schneller steigen als die Mietpreise, deutet dies auf eine Blasenbildung hin.

Eine Immobilienblase stellt erst dann eine Bedrohung dar, wenn sie zu platzen droht, die Preise also durch einen Nachfrageeinbruch in kurzer Zeit in den Keller fallen. Dieses Risiko trifft alle Eigentümer, die das Objekt in dieser Phase wieder verkaufen wollen oder müssen. Es ist vergleichbar mit Kursverlusten an den Aktienmärkten: Solange man die Papiere nicht veräußert, haben nicht realisierte Verluste keine Relevanz.

Kreditnehmer, bei denen die Zinsbindung ausläuft, können ebenfalls betroffen sein: Ist die beliehene Immobilie inzwischen signifikant weniger Wert als bei der damaligen Darlehensgenehmigung, könnte der von der Bank für die Prolongation angebotene Darlehensbetrag geringer sein als die Restschuld - der Kreditnehmer bekäme ein Liquiditätsproblem. Dies dürfte aber nur solche Finanzierungen betreffen, die "Spitz auf Knopf" kalkuliert waren, also die Ausnahme sein sollten. Darauf gehe ich weiter unten im Zusammenhang mit der Wohnimmobilienkreditrichtlinie nochmals ein.

Status quo

In Frankfurt und dem sog. Speckgürtel, also den begehrten Kommunen der direkten Nachbarschaft, sind die Immobilienpreise ab etwa 2005 kontinuierlich angezogen, je nach Lage in unterschiedlicher Geschwindigkeit und Höhe.

Während die Preise im Speckgürtel nach einer Studie der Sparda-Banken zwischen 2017 und 2021 um mehr als 26 Prozent angezogen sind, hat sich das durchschnittliche Kaufpreisniveau in Frankfurt zwischen 2005 und 2020 verdreifacht, das Mietniveau ist im gleichen Zeitraum jedoch "nur" um 50 % gestiegen (Quelle: empirica regio).

Abgesehen davon, dass diese Schere gerade noch akzeptabel erscheint, ist sie auch damit zu erklären, dass bestehende Mietverträge auf Grund gesetzlicher Vorgaben nicht zeitnah an jede Preissteigerung angepasst werden können. Es gibt also noch einen Nachholbedarf, der die Blasenbildung abschwächen kann. Verstärkt wurde dieses Problem durch den Beschluss der Bundesregierung, im Rahmen der Mietspiegelverordnung den Referenzzeitraum der Vergleichsmieten von 4 auf 6 Jahre zu verlängern. Damit werden ältere und damit niedrigere Mietpreise ausgewertet und führen zu einer geringeren ortsüblichen Vergleichsmiete - die ja bei Neuvermietungen nur begrenzt überschritten werden darf. Das Instrument zur Reduzierung von Mietsteige-rungen heizt indirekt also die Immobilienblase an.

Im August 2024 wurde der empirica-Blasenindex für Frankfurt am Main auf "mäßig" zurückgestuft, weil die Mieten zuletzt deutlich stärker gestiegen sind als die Kaufpreise: Die Kluft zwischen Preisanstieg und Mietanstieg ist seit Mitte 2022 um rd. 20 Prozentpunkte kleiner geworden. Im September 2024 hat die UBS bestätigt, dass die Kaufpreise in Frankfurt im Vergleich zu 2022 inflationsbereinigt um rd. 20 % gesunken sind und damit das Blasenrisiko deutlich abgemildert haben. Zum gleichen Ergebnis kommt auch eine Auswertung des Immobilienportals ImmoScout24, wonach die indexierte Preisschere zwischen Miet- und Kaufpreisen in den vergangenen vier Jahren bei Bestandswohnungen um rd. 2/3 zurückgegangen ist. Bei Neubauwohnungen in Frankfurt betrage sie aktuell nur noch 1 %.


Wie schwierig die Einschätzung einer Blasengefahr ist, zeigt sich an folgenden Beispielen:

 

Während der empirica-Blasenindex das Risiko an den Faktoren Wohnungsüberschüsse, Preisrelationen und Verschuldung der Immobilienbesitzer misst, bezieht sich die Großbank UBS bei ihrer Einschätzung des Blasenrisikos auf andere Fundamentaldaten, nämlich auf Einkommen, Wirtschaftswachstum und Bevölkerungswanderung. Auf dieser Basis erachtet die UBS seit Sommer 2020 das Risiko einer Immobilienblase in Frankfurt als sehr hoch. Zur gleichen Zeit schätzt das Institut für Wohnen und Umwelt jedoch, dass im Regierungsbezirk Darmstadt bis 2040 rd. 305.000 Wohnungen fehlen - die meisten davon in den begehrten Stadtlagen, was der Einschätzung der UBS deutlich widerspricht.

 

Ein Immobilienökonom vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat im Mai 2021 konstatiert, die Corona-Krise habe gezeigt, dass augenscheinlich keine Blase vorliege, weil die Nachfrage nach Immobilien trotz aller Widrigkeiten sogar angezogen sei und in den kommenden Jahren noch weitere Preisanstiege - wenn auch in abgeschwächtem Maße - nach sich ziehen. Die zurückliegenden Preissteigerungen wären nicht spekulationsgetrieben, sondern durch Angebotsknappheit begründet, denn es werde weder übermäßig viel gebaut, noch sei die Kreditvergabe riskant gestiegen. Die KfW kommt bei einer Untersuchungen im Frühjahr 2021 zu der gleichen Einschätzung, weil sie ähnliche Indikatoren für ihre Beurteilung heranzieht.

 

Das Ende der Niedrigzinsphase (2008 - 2022) führte zum erwarteten Nachfrageeinbruch auf dem Immobilienmarkt: Eigennutzer können ihre Wunschimmobilie wegen der nachwievor hohen Kaufpreise nicht mehr finanzieren, und für den Kapitalanleger, der Erwerbs- und Finanzierungskosten in Relation zu den erzielbaren Mieteinahmen setzt, rechnen sich die überteuerten Objekte nicht mehr. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat im Dezember 2023 konstatiert, "die Immobilienblase sei geplatzt". Der Schlussfolgerung lag eine eigene Studie zugrunde, wonach "die Immobilienpreise in Deutschland erstmals seit 2010 gesunken seien. Baugrundstücke, Eigenheime und Eigentumswohnungen in den mehr als 150 untersuchten Städten wären durchschnittlich um zwei Prozent (sic!) günstiger als im Vorjahr."

Offenbar hat auch das DIW eine eigene Definition davon, was das Platzen einer Blase angeht. Nach meinem Verständnis verliert sie lediglich etwas Luft, denn die Preise sind nachwievor deutlich überzogen. Zudem muss man bedenken, dass aktuell viele Bauträger in Schieflage geraten sind und dadurch der seit Jahren dringend erforderliche Neubau noch stärker eingebrochen ist als dies durch die hohe Inflation und gestiegenen Materialkosten ohnehin schon der Fall war. Da die Nachfrage nach Wohnraum weiterhin hoch ist und in Ballungsgebieten unvermindert steigt, wird dies die Preise für Bestandsimmobilien zumindest stützen - denn die Mieten werden trotz staatlicher Interventionen weiter steigen.

 

 

Unabhängig von der aktuellen Entwicklung in Deutschland erscheint es angebracht, auf einen wesentlichen Unterschied zu der Subprimekrise in den USA (oder der vergleichbaren Entwicklung in Spanien) hinzuweisen, die im Sommer 2007 aufgetreten ist und im Anschluss als weltweite Finanzkrise alle Märkte erschüttert hat:

 

Niedrige Zinsen und eine leichtsinnig hohe Risikobereitschaft haben um die Jahrtausendwende in den USA dazu geführt, dass die Banken ihren Kunden Immobilenkredite geradezu nachgeworfen haben. Eine Finanzierung, die 100 % des Kaufpreises oder sogar mehr betrug, war gängige Praxis - selbst wenn der Darlehensnehmer nur sehr geringe und unsichere Einkünfte nachweisen konnte. Die Banken haben auf weiter steigende Immobilienpreise gewettet und bei drohenden Zahlungsausfällen erwartet, im Rahmen einer Zwangsversteigerung sämtliche Forderungen einholen zu können. Als die Zinsen stiegen und nach Festschreibungsende hundert-tausende bonitätsschwache Darlehensnehmer die angepassten Leistungsraten nicht mehr bedienen konnten, wurde das Land mit Immobilien überschwemmt, die im Rahmen einer Zwangsversteigerung einen neuen Eigentümer suchten. Wegen der Marktsättigung und der inzwischen gestiegenen Zinsen war die Nachfrage jedoch zum erliegen gekommen, und nur wenige Objekte ließen sich angemessen verwerten. Die Banken mussten immense Kreditausfälle verbuchen, und viele Institute mit schwacher Eigenkapitaldecke wurden in der Folge zahlungsunfähig.

In Deutschland sieht die Lage hingegen völlig anders aus: Schon seit jeher sind die regulatorischen Anforderungen strenger, sowohl was die Bonitätsanforderungen als auch die Beleihungsgrenze für Immobilienkredite angeht. Zwar wurden in der Niedrigzinsphase von 2014 bis Mitte 2021 auch bei uns vermehrt Darlehen vergeben, die weit mehr als die ursprüngliche Beleihungsgrenze von 60 % des Immobilienwertes ausmachen, jedoch wird das Risiko einer höheren Beleihungsgrenze durch einen entsprechenden Zinsaufschlag für den Anteil "außer Deckung" abgegolten, den der Darlehensnehmer nachhaltig finanzieren können muss.

Nachwievor wohnen rd. 64 % der Deutschen zur Miete (Quelle: Statista Global Consumer Survey vom 26.04.2021), was nach der Schweiz die zweithöchste Quote in ganz Europa ist, und in den Ballungszentren besteht ein Nachfrageüberschuss nach Immobilien, u.a. auch deshalb, weil sehr viele Sparer in den vergangenen Jahren mangels Anlagealternativen immense Geldwerte gehortet haben.

Sollte eine Immobilienblase eines Tages wirklich platzen, viele Kreditnehmer nach einer Zinserhöhung in Zahlungsschwierigkeiten und zahlreiche Objekte auf den Markt kommen, könnten diese von Kaufinteressenten vollständig aus Eigenmitteln erworben werden. Das dann höhere Zinsniveau wäre also kein Hinderungsgrund.

 

Gleichwohl gibt es Bestrebungen, den Risiken einer Immobilienblase vorzubeugen. Aus der Regelungswut der EU ist die Richtlinie des Europäischen Parlaments 2014/17/EU über Wohnimmobilienkredite für Verbraucher entstanden, die Mindeststandards für die Kreditvergabe regelt und im März 2016 in Deutschland als Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Kraft getreten ist. Sie verlangt von den Banken u.a. eine umfassende Aufklärung der Kreditantragsteller über die Risiken späterer Zinsänderungen und stellt erhöhte Anforderungen an die Sicherheiten, die ein Darlehensnehmer bieten muss.

Diese Regelungen sind grundsätzlich begrüßenswert. Der deutsche Gesetzgeber scheint jedoch über das Ziel hinausgeschossen zu sein, indem er weitere Verschärfungen in die betreffenden Paragraphen des BGB und KWG eingebaut hat, die in der Praxis die Kreditvergabe an junge Familien, Rentner und Selbstständige nahezu verhinderten. War zuvor der Wert der finanzierten Immobilie eine wesentliche Sicherheit, war es nun nur noch das laufende Einkommen. Im Extremfall konnte dies dazu führen, dass z.B. ein Rentner kein Hypothekendarlehen für eine neue Heizung erhält, obwohl der Wert seiner lastenfreien Immobilie den Kreditbetrag um das 100fache übersteigt.

Nachdem die Kritik an der Wohnimmobilienkreditrichtlinie auch bei der Bundesregierung angekommen war, hat das Bundeskabinett im Dezember 2016 einen Gesetzesentwurf beschlossen, der Mitte Mai 2017 den Bundesrat passiert hat: Die prognostizierte Wertsteigerung der Immobilie durch bauliche Veränderungen oder Renovierungen soll künftig bei der Kreditwürdigkeitsprüfung berücksichtigt werden dürfen, um auch einkommensschwächeren Antragstellern wieder Hypothekendarlehen gewähren zu können.

 

Zeitgleich mit der Nachschärfung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie sind auch Änderungen im Finanzaufsichtsrecht beschlossen worden, die der BaFin weitergehende Rechte einräumen, um eine Immobilienblase zu verhindern. Im Kern geht es darum, das Volumen potentiell fauler Immobilienkredite so zu beschränken, dass Banken nicht mehr in die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit geraten. Hierzu darf die BaFin Mindeststandards vorgeben, wie hoch das Darlehen im Verhältnis zum Immobilienwert sein darf und innerhalb welcher Zeit es zurückgezahlt werden muss.

Fazit

Die nachwievor bestehende Überbewertung von Immobilien im Ballungsraum Frankfurt schwächt sich durch steigende Mieten sukzessive ab, die Furcht vor dem Platzen einer "Immobilienblase" ist unbegründet - egal, wie man diese definieren mag. Auch wenn nach einer Seitwärtsbewegung das Zinsniveau für Finanzierungen die Kaufpreise wieder leicht anziehen dürften, ändert dies nichts an meiner grundlegenden Einschätzung.

 

Wer sich eine Immobilie zur Eigennutzung kauft, um jahrzehntelange Mietzahlungen bis ins hohe Alter zu vermeiden, ist nachwievor gut beraten, Eigentum zu erwerben. Das aktuelle Zinsniveau ist immer noch Welten entfernt von den Effektivzinsen der 1970er und 1980er Jahren, die phasenweise zweistellig waren. Und wer als Gegenargument die "horrenden" Kaufpreise anführt, die heute insbesondere für Neubauten verlangt werden, sollte bedenken, dass die heutigen realen Einkommen deutlich über den damaligen liegen und moderne Immobilien auch eine viel bessere und Ausstattung bieten als vor 60 Jahren: angefangen bei der Dämmung, über schallisolierte Fenstern, hochwertige Bäder, moderne Haustechnik bis hin zu effizienten Heizungsanlagen, vielfach mit Fußbodenheizungen in allen Wohnräumen.

 

Bei einer langfristigen Zinsfestschreibung mit möglichst hohem Tilgungssatz ist ein Darlehensnehmer auf der sicheren Seite, weil er bis zum Bedingungsanpassungstermin einen deutlichen Anteil des Darlehens getilgt haben wird und zudem mögliche Zinserhöhungen bei Ablauf der Zinsfestschreibung notfalls durch eine Reduzierung des Tilgungs-satzes abfangen kann. Dem Käufer dürfte es egal sein, wenn der Wert des Objektes später einmal fallen sollte, da die eingesparte Miete und die Gewissheit, im Alter ein sicheres Dach über dem Kopf zu haben, den möglichen Wertverlust aufwiegen.

 

Kapitalanleger sind zwar wegen der steuerlichen Möglichkeiten an einer Fremdfinanzierung interessiert, stecken aber vermehrt Eigenkapital in ihre Investments, um im Vergleich zu risikoarmen Alternativen am Kapitalmarkt wenigstens noch eine geringe Rendite zu erzielen. Bei Objekten in gefragter Lage wird diese Einnahmequelle in meinen Augen auch langfristig Bestand haben. Nur die gewerbsmäßigen Zocker, die ein Objekt nach wenigen Jahren Haltedauer mit hohem Gewinn verkaufen wollen, werden dann in die Röhre schauen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Bundesregierung die in meinen Augen lange überfälligen Pläne umsetzt, die Vermeidung der Grunderwerbsteuer bei Share Deals abzuschaffen...