Finanzierungskosten und Kaufpreise

Die Niedrigzinsphase (2008 - 2022) war ein Paradies für die Investition in Immobilienwerte: Auch mit wenig Eigenkapital war es möglich, eine Immobilie zu erwerben, deren Finanzierungskosten allein durch die Mieteinnahmen gedeckt wurden. Auf diese Weise gab es Immobilien quasi geschenkt. Das ist natürlich auch den Eigentümern nicht verborgen geblieben, und so stiegen die verlangten Preise immer weiter, weil jeder sich ein Stück vom goldenen Kuchen abschneiden wollte.

Inzwischen haben die Zentralbanken die Zinsen deutlich erhöht, um der hohen Inflation entgegenzuwirken. Zielsetzung ist dabei, dass Sparen interessanter wird, was gleichzeitig den Konsum reduziert. Und wenn weniger Konsumgüter nachgefragt werden, müssen die Anbieter die Preise senken, um ihre Produkte weiter absetzen zu können - die Inflation geht zurück.

 

Nun haben die hohen Zinsen aber massive Auswirkungen auf die Finanzierungskosten einer Immobilie. Wie hoch diese Auswirkungen sind, wird regelmäßig unterschätzt. Insbesondere verkaufswillige Eigentümer sollten den Effekt aber kennen, um beim Verkauf eine realistische Preisvorstellung akzeptieren zu können. An einem konkreten Beispiel will ich die Konsequenzen einmal verdeutlichen, wobei ich einen Volltilger (das heißt: Zinsfestschreibung des Annuitätendarlehens bis zur vollständigen Rückzahlung des Kredites) unterstelle, um das Beispiel besonders anschaulich zu gestalten. Kaufnebenkosten (Grunderwerbsteuer, Notar-/Grundbuchkosten und eine eventuelle Maklerprovision) bleiben ebenfalls unberücksichtigt, weil sie unabhängig von den Finanzierungskosten sind:

 

Nehmen wir eine Familie, die 2020 ein Haus für 600.000 EUR gekauft hat und hierfür einen Kredit über 300.000 EUR aufnehmen musste. Bei einem damaligen Zinssatz von 0,8 % konnte sich die Familie einen Tilgungssatz von 4,2 % erlauben, wodurch sich eine monatliche Kreditbelastung in Höhe von 1.250 € ergab. Über die gesamte Laufzeit des Darlehens (21 Jahre und 10 Monate) zahlt die Familie so insgesamt 27.022 € Zinsen an die Bank.

Die gleiche Situation drei Jahre später: Mittlerweile werden von der Bank 4,2 % Zinsen verlangt. Um die monatliche Belastung ebenfalls auf 1.250 € zu begrenzen, darf der Tilgungssatz nur 0,8 % betragen. Bei einem Annuitätendarlehen verlängert sich dadurch die Laufzeit des Kredites auf 43 Jahre und 9 Monate - und der geschuldete Zinsbetrag steigt auf gigantische 355.639 EUR!

Wenn wir neben den Kaufnebenkosten auch Inflation und steuerliche Aspekte außer Acht lassen, zahlte die Familie 2020 für das Haus insgesamt 627.022 €, während im Jahr 2023 das gleiche Haus bei identischem Kaufpreis für die Familie einen finanziellen Aufwand von 955.639 EUR verursacht - also über 50 % mehr!

 

Ein Verkäufer muss diese Zinsentwicklung bei der Kaufpreisgestaltung berücksichtigen, um auch im Jahr 2023 die gleiche Nachfrage zu erhalten wir drei Jahre zuvor. In Zahlen bedeutet das, dass er den Kaufpreis gegenüber 2020 um fast 1/3 (!) senken muss, um den finanziellen Aufwand eines Käufers gleich zu halten. Würde also der Kaufpreis von 600.000 € auf 420.000 € reduziert, muss die Familie nur noch 120.000 € finanzieren. Bei einem Zinssatz von 4,2 % und der Deckelung der Monatsrate auf 1.250 € kann der Tilgungssatz auf 8,3 % angeboben werden. Damit reduziert sich die Laufzeit des Darlehens auf 9 Jahre und 10 Monate und die gesamte Zins-belastung auf 26.497 €. Der gesamte Kauf kostet die Familie dann im Jahr 2023 ebensoviel wie im Jahr 2020, oder anders formuliert: Die Familie kann sich das Haus auch 2023 noch leisten, wenn der Verkäufer mit seiner Preisforderung angemessen auf die Zins-steigerungen reagiert.